Nachhaltiges Handeln im Arbeitsalltag implementieren

Nachhaltigkeit im Veranstaltungsmanagement

In der Veranstaltungsbranche wird Nachhaltigkeit immer wieder als Megatrend der Zukunft bezeichnet. Fragt man in Unternehmen, Verbänden und Institutionen nach, ist der Stellenwert von Nachhaltigkeit groß, doch die wenigsten Events werden umweltgerecht durchgeführt. Auch Management-Systeme, die nachhaltiges Handeln im Arbeitsalltag implementieren, sind eher eine Seltenheit. Woran liegt das?

Nachhaltigkeit-Green-Event-Glühbirne(Bild: Pexels)

Im Gegensatz zu anderen Geschäftsfeldern ist der Nachhaltigkeitsgedanke in der Veranstaltungsbranche erst vor ein paar Jahren angekommen. Doch diese Tatsache beantwortet die Frage nur im Ansatz. Vielmehr sind es die Wissenslücken bei Veranstaltungsplanern und daraus resultierend die Hemmschwelle, sich diesem Thema zu nähern. Hinzu kommt, dass Nachhaltigkeit immer ein ganzheitlicher Unternehmensprozess ist, dessen Leitgedanken vom Top-Management getragen werden müssen. Ist die Geschäftsführung nicht mit im Boot, wird es immer bei einem Feuerwerk von Einzelmaßnahmen bleiben, das schnell verpufft.

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Auch der Zukunftswissenschaftler Horst W. Opaschowski hat sich in seinem Buch “Deutschland 2030 – Wie wir in Zukunft leben”! dieser Frage gewidmet: “Die Kluft zwischen Umwelteinstellung und Umweltverhalten ist groß. Das Umweltbewusstsein muss ebenso rational wie emotional in der Persönlichkeit verankert sein, ehe es zur guten Gewohnheit wird.”

Es geht also um Gewohnheiten! Wer kennt sie nicht, die alles Neue bremsende Aussage “das haben wir schon immer so gemacht” und damit war das Thema erledigt. Doch: “…eingeschliffene Verhaltensweisen können umprogrammiert werden. Ein komplexer Prozess zwar, aber mit Hilfe etlicher Tricks und Beharrlichkeit durchaus zu schaffen.”, sagt Sebastian Bamberg, Umweltpsychologe an der Fachhochschule Bielefeld.

Attitude matters – die Haltung zählt

Die Veränderungsbereitschaft eines jeden Einzelnen steht zur Diskussion. Wir kennen das alle: Fundamentale Veränderungsprozesse brauchen Zeit, aber vor allem Motivationen:

  • Steuerliche Erleichterungen für Unternehmen, um ihr nachhaltiges Engagement zu honorieren.
  • Schaffung gezielter Anreize für Mitarbeiter und Dienstleister. Die Aussicht auf eine Anerkennung erhöht die Veränderungsbereitschaft.
  • Zur Einführung eines nachhaltigen Veranstaltungsmanagements bedarf es häufig nur eines kleinen, unmerklichen Schubsers, eines sog. Nudge, der den Motivierten in die richtige Richtung lenkt. Dieser neue Ansatz der Verhaltensökonomie von Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein ist wirksamer als Gebote und Verbote.
  • Von Vorbildern, die sich an sinnstiftenden Werten orientieren, lernen. Sich mit Unternehmen identifizieren, die ihr CSR-Engagement glaubwürdig leben.
  • Der Grad unserer emotionalen Beteiligung ist entscheidend für mögliche Verhaltensänderungen. Wenn wir emotional berührt werden, dann hat das eine starke Triebkraft, neue Wege zu beschreiten und alte Gewohnheiten abzulegen.

Unter Einfluss der Motivationen wächst die persönliche innere Haltung. Nachhaltige Handlungen werden authentisch und glaubhaft. Sie integrieren sich geradezu selbstverständlich in das eigene Handeln und somit auch in die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Prozesse.

Kurzfristige Erfolge gibt es nicht!

Ist die Hemmschwelle abgebaut und die Motivation groß, Veranstaltungen nachhaltig im Sinne der drei Nachhaltigkeitssäulen Ökologie, Ökonomie und Soziales zu organisieren, suggerieren einige branchenübliche Zertifikate: Ich muss nur einige Kriterien “abarbeiten”, dann bin ich schnell nachhaltig und erreiche über meine neue Ausrichtung binnen kurzer Zeit neue Kunden.

Zur Erlangung des Zertifikates setzen Unternehmen umweltschonende und soziale Maßnahmen um, Veränderungsprozesse werden in Gang gesetzt, doch die Nachfrage nach nachhaltigen Meetings, Kongressen oder Tagungen bleibt gering und der erhoffte ökonomische Erfolg bleibt häufig aus. Schnell verlieren die Akteure wieder das Interesse am Thema.

Erfolg versprechend ist nur, wenn Unternehmen glaubwürdig und authentisch agieren – die kritische Öffentlichkeit merkt sofort, ob hier eine Haltung gelebt wird oder ob Unternehmen aus PR-strategischen Gründen oder Marketing-Überlegungen ein Event nur nachhaltig erscheinen lassen. Nachhaltiges Handeln ist ein zeitintensiver Prozess und wirkt in der Regel mittel- und langfristig.

Keine Verpflichtung bei “fairpflichtet”

Auch das Label “fairpflichtet” passt in diese Kategorie. Scheinbar orientiert es sich am Wertesystem des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) sowie des UN Global Compact. Durch eine einseitige Unterstützungserklärung erklären Unternehmen ihren Beitritt. Ein Jahr nach Abgabe dieser Erklärung wird von den teilnehmenden Unternehmen erwartet, dass sie den Fortschritt der ergriffenen Maßnahmen in einem Bericht dokumentieren.

Eingeführt 2012, musste drei Jahre später festgestellt werden, dass sich diese freiwillige Selbstverpflichtung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner bewegt, nämlich “wenigstens etwas zu tun.”

Wer dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex beitritt, muss über die Erfüllung der Kodexkriterien berichten (comply) bzw. die Abweichung erklären (explain). Ein Unternehmen legt z.B. im Bereich Gesellschaft die Gesamtzahl der Vorfälle von Diskriminierung und ergriffene Maßnahmen offen (comply). Oder es erklärt die Abweichung der selbst gesetzten Treibhausgas-Emissionen (explain).


Ganz nach dem Motto: Ich kaufe mir mit dem Zertifikat eine Haltung, eine Vision, die ich nicht habe.


Der grundsätzliche Fehler bei “fairpflichtet” liegt in eben diesem Prinzip. Da es keine Verpflichtung zu Leistungsindikatoren der Nachhaltigkeit gibt, stellt sich die Frage, was die teilnehmenden Unternehmen berichten sollen. Oder wozu ein Comply/Explain abgegeben werden soll. Die Unterstützer nennen im jährlichen Fortschrittsbericht zu den zehn Leitlinien häufig beliebige Maßnahmen, die nicht validierbar sind oder auch nicht dem Gesichtspunkt von Corporate Social Responsibility entsprechen. “fairpflichtet” fehlt der bindende Rahmen, der wie beim DNK, Struktur und Verpflichtung gibt. Die Unterstützung eines lokalen Kindergartens beispielsweise ist im eigentlichen Sinn ein Sponsoring und somit Corporate Citizenship. CSR hingegen betrifft die ureigensten Unternehmensprozesse und muss auch dort verankert sein. Das “umlabeln” von CC-Maßnahmen in CSR-Maßnahmen ist quasi schon Green Painting.

In den Fortschrittsberichten wird zwar auf Ergebnisse und Indikatoren sowie die Erklärung bei Nichterfüllung verwiesen, doch die Einträge der einzelnen Unternehmen spiegeln eine ziellose Unverbindlichkeit wider. Es gibt keine Vision, keine Strategie und kaum Leistungsindikatoren, die eine messbare Entwicklung dokumentieren könnten.

Aber gerade diese Leistungsindikatoren sind wichtige Bausteine eines nachhaltigen Prozesses. Sie machen Handlungen gegenüber der Öffentlichkeit glaubhaft und – was für ein Unternehmen von größter Wichtigkeit ist – sie setzen Nachhaltigkeit in Bezug zum Wirtschaftssystem des Unternehmens. Nur wenn es gelingt, die nachhaltigen Veranstaltungsaktivitäten mit messbaren Leistungskennzahlen zu hinterlegen, kann der Nutzen für das Unternehmen, die Allgemeinheit und Umwelt dargestellt werden.

Auf die Vision kommt es an!

Eine freiwillige Selbstverpflichtung, wie beispielsweise der Beitritt zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex DNK, beschreibt die generelle Haltung, die ein Unternehmen zum nachhaltigen Handeln einnimmt. Es ist ein Statement, das alle Handlungen unter einem ideellen Dach vereint. Ein Zertifikat testiert, dass Prozesse im Unternehmen nachhaltig ablaufen. In der Regel ist dafür ein Management- System nötig. Es dokumentiert die Maßnahmen und zeigt, dass Nachhaltigkeit verstanden und gelebt wird. EMAS und ISO 20121 oder 14001 sind in diesem Fall die herausragenden Zertifikate.

Die Frage ist demnach: Wie tief möchte oder kann ich als Veranstaltungsplaner oder Dienstleister Nachhaltigkeit in meinen Unternehmensprozessen verankern? Möchte ich zeigen, dass ich das Konzept der Nachhaltigkeit verstanden habe? Oder möchte ich dokumentieren, dass meine Handlungen am Konzept der Nachhaltigkeit orientiert sind?

Es wird deutlich, dass die Frage der Strategie und somit der Vision zentral sind. Hier beginnt nachhaltiges Handeln. Vision und Strategie sind Prozesse, die Top-Down, vom Management in die operative Ebene, gedacht werden müssen. Die Vision ist dabei immer der Ausgangspunkt, von dem aus die Strategie entwickelt wird. Wenn diesem Prozess gefolgt wird, dann ist Nachhaltigkeit auch glaubhaft im Unternehmen verankert.


Ohne validierbaren, einheitlichen Berichtsstandard haftet “fairpflichtet” der Makel eines Green Painting-Instruments an.


Mit dieser Glaubhaftigkeit können auch neue Zielgruppen angesprochen werden und ein wirtschaftlicher Erfolg ist absehbar. Aber wirtschaftlicher Erfolg muss messbar sein. Eine Grundvoraussetzung ist daher, dass Ziele definiert und überwacht werden. Ein Management-System ist somit die Grundvoraussetzung für erfolgreiches nachhaltiges Handeln. Abgeleitet aus Vision und Strategie gibt es die Leistungsindikatoren vor und ermöglicht deren Messung und die Kontrolle des Erreichten. Die nachvollziehbare Dokumentation der Prozesse und der definierten Ziele ist deshalb einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg nachhaltigen Handelns – intern im Unternehmen und extern in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit und zur Erschließung neuer Zielgruppen.

Strategie orchestriert die Maßnahmen

Die Möglichkeiten, nachhaltig zu handeln, sind groß, die Auswirkungen auf die Bereiche Ökonomie, Soziales und Ökologie unterschiedlich. Schaut man als Veranstaltungsplaner auf die weit über einhundert Maßnahmen in den Handlungsfeldern des bekannten BMUB- Leitfadens, ist man schnell überfordert. Womit anfangen? Was weglassen?

Wenn für das einzelne Event, oder noch besser für das Unternehmen und all seine Veranstaltungen, eine Strategie festgelegt ist, werden diese Fragen einfacher zu beantworten sein. Es entsteht ein Portfolio von zielgerichteten Maßnahmen, die fokussiert bearbeitet werden. Wenn zusätzlich auf eine ausgewogene Mischung der Maßnahmen über die Bereiche Ökonomie, Soziales und Ökologie geachtet wird, können positive wirtschaftliche Effekte entstehen.

Mit Strategie und System lohnt sich Nachhaltigkeit für ein Unternehmen. Prozesse werden kritisch betrachtet und optimiert. Die Qualität der Veranstaltungsumsetzung steigt. Materialien können reduziert oder wiederverwendbar geplant werden. Das Budget wird geschont. Die Liste kann beliebig verlängert werden. Nachhaltigkeit mit Strategie und System kann mehr als nur Image.

Zukunftsfähig mit dem passenden Management-System

Für den Veranstaltungs- und den Tourismusbereich existieren eine Vielzahl verschiedener Zertifikate. Im Grunde arbeiten hinter jedem Zertifikat Management-Systeme. Diese bestehen aus Kriterien-Sets, die nachhaltiges Verhalten abfragen. Sie ähneln Checklisten, die mit zusätzlichen Erfüllungsparametern abgefragt werden. Beispiele sind Green Globe, Certified Green Hotel und andere. Der Vorteil an diesen Systemen ist, dass man sich keine Gedanken um die Priorisierung von Maßnahmen machen muss. Der standardisierte Rahmen gibt dies vor. Aber in dieser Standardisierung liegt auch ein Nachteil. Die Weiterentwicklung des Management-Systems und seine Anpassung an die individuellen Bedürfnisse sind nicht möglich.

Ist dies gewünscht, sollte auf die offenen Zertifikate EMAS oder ISO zurückgegriffen werden. Das Management-System wird für diese Zertifikate individuell entwickelt und lässt leicht Änderungen an Kriterien und Leistungsindikatoren zu. Dies erfordert zwar mitunter den Einsatz externer Berater und vor allem eigene Zeit, aber das fertige System mit seinen Checklisten gibt es auch nicht umsonst.

Wenn Veranstaltungen und Meetings nachhaltig umgesetzt werden sollen, ist der Einsatz eines individuell erstellten Management-Systems nahezu unabdingbar. Nur so kann der Zielkonflikt abgeschwächt werden, der sich bei der Planung jedes nachhaltigen Events einstellen wird. Die Ziele der Veranstaltung müssen auf die Unternehmensziele abgestimmt werden. Und dazu kommt noch ein weiteres Ziel, das sogenannte Nachhaltigkeitsziel. Es muss auf die Ziele des Unternehmens und insbesondere des Events abgestimmt werden. Es entsteht ein Dreieck, das ausbalanciert werden muss und die einzelnen Ziele miteinander harmonisiert.


Wer seine Veranstaltugen glaubhaft und erfolgreich nachhaltig gestalten möchte, wird um den Einsatz eines management-Systems nicht herumkommen.


Beispielsweise ist eines der Ziele der Veranstaltung, die Gäste für ihre erbrachten Leistungen zu belohnen und sie zu weiteren Höchstmarken anzuspornen. Die Umsetzung eines klassischen Incentives erfordert einen bestimmten Luxus für die Teilnehmer, der in der Regel einem nachhaltigen Ansatz zuwider laufen wird. Eine Flugreise mag unausweichlich sein, die Unterbringung im besten Haus des Zielortes ebenfalls. Der Erwerb einer CO2-Kompensation für die Flugreise ist nicht im Budget und das beste Haus am Platz ist ein altehrwürdiges Grandhotel, deren Inhaber noch wenig zum nachhaltigen Betrieb unternommen haben. Auch bei einer klassischen Tagung können diese Konflikte auftreten. Kann es den Teilnehmern zugemutet werden, Fahrgemeinschaften zu bilden? Ist ein vom Unternehmen teilfinanziertes Veranstaltungsticket für die Bahn im Budget? Ist es möglich, die ausgehändigten Tagungsunterlagen auf ein Minimum zu reduzieren? All diese Punkte führen zu einer nachhaltigeren Veranstaltung, aber sie belasten das Budget oder beeinflussen unter Umständen das gewünschte Veranstaltungsziel. Und sie können und sollen auf das Unternehmensziel einzahlen. Nur so können die Veranstaltung planbar und nachvollziehbar nachhaltig gestaltet und dabei die Unternehmens- und Veranstaltungsziele in vollem Maße berücksichtigt werden.


Über die Gastautoren:

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Martina Riediger und Christian Oblasser sind Inhaber der trias consulting GbR in Berlin und haben zu dem Themenkomplex das Fachbuch “Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement mit Strategie” veröffentlicht.

 

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